Nicht allzu lange ist es her, da sprach die Leistung eines Arztes für sich und professionelles Marketing spielte eher eine untergeordnete Rolle. Bedürfnisse, Erwartungen und das Verhalten der Patient:innen im Allgemeinen unterliegen jedoch einem stetigen Wandel. Wer im Gesundheitswesen nicht strategisch an der Kommunikation mit seinen Patienten arbeitet, hat auf mittlere und lange Sicht das Nachsehen. Speziell Arztpraxen, die kein eigenes Know-how in diesem Bereich mitbringen, stehen hinsichtlich Praxismarketing vor einer zusätzlichen Herausforderung.
Sarafina Eckert ist Marketingspezialistin und Beraterin bei Lumina Health. Sie übernimmt projektleitende Funktionen in der Zusammenarbeit mit Dienstleistern aus dem Gesundheitswesen und konzipiert strategische Marketingpläne und Kampagnen für diese.
In einem Interview mit Medicosearch zeigt Sie die Herausforderungen und Chancen von Marketing im Gesundheitssektor auf und gibt einen Ausblick auf die Dynamik der bestehenden und künftigen Anforderungen.
Praxismarketing für Ärzte – eine herausfordernde und eigene Disziplin
Das Gesundheitswesen hat in der Tat seine speziellen Herausforderungen, die einerseits bei den Gesundheitsdienstleistern selbst liegen und andererseits bei deren Zielgruppen, den Patient:innen. Umso wichtiger ist es für Sarafina Eckert, stets den Unterschied zwischen ökonomischen und psychologischen Zielen herauszuarbeiten und zu vermitteln. “Diese können von Fachbereich zu Fachbereich unterschiedlich ausgeprägt sein, was das Gesundheitswesen eben zu einem herausfordernden und spannenden Gebiet macht”, sagt Eckert. Sind diese Ziele zunächst definiert, erfolgt die weitere Arbeit durchaus auch nach klassischen Marketingmethoden.
Herangehensweise an die Marketingstrategie im Gesundheitswesen
“Es wäre natürlich zu einfach, gäbe es eine Standardvorgehensweise, die gibt es in dem Sinn nicht”, meint Eckert. Vielmehr sind es Methoden, mit deren Hilfe ein strukturiertes Herantasten an die eigenen Ziele möglich wird. Meist starten Eckert und ihr Team mit einer Analyse des aktuellen Zustandes, aus der erste Ziele abgeleitet werden können. In der Folge geht es in eine konzeptionelle Phase, die mit der Umsetzung der erarbeiteten Strategie abschließt.
Eckert: “Allem voran muss sich der Arzt seiner unternehmerischen Ziele bewusst sein; was soll mit den Maßnahmen bewirkt werden? Wir analysieren dahin gehend, Kohärenz und Konsistenz der Kommunikation. Das bedeutet, wir betrachten sämtliche Kommunikationskanäle – das kann online oder auch offline sein - und evaluieren, wie stimmig und einheitlich diese auf die Unternehmensziele einzahlen.”
Bei den Unternehmenszielen ist es, wie erwähnt, essenziell zwischen den psychologischen und den ökonomischen Zielen zu unterscheiden. Denn daran orientiert sich die Erwartungshaltung eines potenziellen Auftraggebers. Eckert meint dazu: “Kurzfristig ökonomische Ziele zu erreichen ist eher unwahrscheinlich und ein solches Versprechen seitens Agenturen wäre auch nicht seriös”. Damit mehr Patienten eine Praxis besuchen, mehr Umsatz generiert werden kann oder die verrechneten Leistungen im Preis erhöht werden können, muss erst eine Bereitschaft und ein Verständnis in der Zielgruppe geschaffen werden. “Dies kann nie kurzfristig erfolgen, sondern muss schrittweise durch Erreichen der psychologischen Ziele erarbeitet werden”, so beantwortet Eckert die häufig auftretende Frage nach dem Zeitplan bzw.: Wann sind erste Veränderungen zu erwarten?
Psychologische Ziele einer Arztpraxis können beispielsweise lauten:
- Vertrauen steigern
- Bekanntheit erhöhen
- Image verbessern
- Identität mit der Praxis fördern
Ökonomische Ziele einer Arztpraxis sind hingegen naturgemäß in deren Umsatz abgebildet. Sie gehen entsprechend der Strategie im Idealfall mit der Erreichung der psychologischen Ziele einher, beziehungsweise folgen diesen zeitversetzt.
Emotionen und Bedürfnisse treffen auf Zahlen, Analysen und Strategien
Tatsächlich ist eine evidenzbasierte Vorgehensweise unerlässlich. Speziell der zunehmende Anteil des Onlinemarketings ermöglicht und fordert daher die Messbarkeit von Maßnahmen. Auch wenn die Emotionen und Bedürfnisse der Patient:innen im Mittelpunkt stehen, ist es durchaus von der Zielgruppendefinition bis zur Umsetzung der Maßnahmen eine sehr analytische und zahlengetriebene Arbeit. “In der Umsetzung greifen wir abhängig davon, wo die definierte Zielgruppe zu finden ist, meist auf die klassischen Maßnahmen zurück”, sagt Eckert. Diese können digital wie folgt aussehen:
- SEO und SEA
- Blog-Post Veröffentlichungen
- Affiliate-Marketing
- Display Ads
- Social Media Marketing
Ein Beispiel, das verdeutlicht, wie unterschiedlich sich Marketing auch innerhalb des Gesundheitswesens, abhängig vom Fachbereich, gestalten kann, findet sich im ästhetischen Bereich. “Hier kann die Zielgruppe sehr gut über Social-Media – Kanäle erreicht werden”, ist Eckert überzeugt. Tatsächlich lässt sich anhand der Patient:innen einer Arztpraxis oft erkennen, ob sie diese Social-Media-Kanäle für sich nutzt, denn sie weisen einen deutlich höheren Anteil an Patient:innen aus genau dieser Zielgruppe auf. Es lassen sich also durchaus auch neue Zielgruppen durch neue Kommunikationskanäle erschließen.
Kontinuität und Konsistenz spielen bei der Umsetzung der Marketingmaßnahmen eine zentrale Rolle. Nur so lassen sich über die Zeit Bedürfnisse von Patienten erkennen und verstehen. “Dieses Wissen ist wiederum die Grundlage für unsere weitere Arbeit und laufende Optimierungen”, erklärt Eckert. Genau diese ist auch absolut notwendig, unterliegt in unserer heutigen Welt mittlerweile nahezu alles einem schnelllebigen Wandel.
Patienten und ihre Erwartungen ändern sich - das Marketing passt sich an
Ein gutes Stichwort ist hier der „Patient der Zukunft“. Eckert sagt dazu: “Der Begriff ist trügerisch, denn ich bin überzeugt, dass dieser bereits im Hier und Jetzt angekommen ist. Meiner Meinung nach haben die vergangenen Jahre, besonders aufgrund der Pandemie, eine extreme Beschleunigung im Gesundheitswesen mit sich gebracht.”
„Die Ansprüche sind nicht nur dabei, sich zu ändern, sondern sie steigen extrem”
Von der Online-Terminvereinbarung über Video-Konsultationen und automatisierte Prozesse bei der Patientenannahme; das alles sehen viele Menschen bereits als Standard an und betrachten es als erheblichen Mehrwert. Im Umkehrschluss wird es als ein starkes Defizit empfunden, wenn eine Praxis dies nicht anbietet. Auch Nachhaltigkeit spielt eine zunehmende Rolle für Patient:innen im Gesundheitswesen. Kaum jemand hat noch Verständnis dafür, einen mehrseitigen Fragebogen vor Ort und in ausgedruckter Form ausfüllen zu müssen. Das trifft vorwiegend auf Generation Y und jünger zu. “Natürlich muss das im Marketing berücksichtigt werden”, so Eckert.
Auch Prävention ist für jüngere Generationen zunehmend wichtiger. Dieser Marktbereich weist ein jährliches Wachstum von rund zehn Prozent auf. Ein ähnliches Wachstum zeigt der Sektor Telemedizin/Video-Konsultation. Eckert: “Die Zahlen verraten uns weiter, dass bereits rund 70 Prozent der Patient:innen online nach medizinischen Informationen oder Ärzten suchen, davon rund 40 Prozent über Google”. Umso wichtiger ist es, in der Kommunikation zeitgemäß zu bleiben und vor allem auch Trends zu erkennen, diese einfließen zu lassen beziehungsweise sich an diese anzupassen.
Beliebte Fehler im Praxismarketing
In einer so heiklen Branche wie dem Gesundheitswesen möchte ich auch häufige Fehler im Marketing nicht unerwähnt lassen”, warnt Eckert. Diese können im besten Fall nichts bewirken oder schlimmsten Fall sogar rechtliche Konsequenzen mit sich ziehen.
“Ein oft beobachteter Fehler ist, wenn Marketing-Anbieter oder Verantwortliche den strategisch-analytischen Teil weglassen. Oft passiert das auch, wenn die Gesundheitsdienstleister das Marketing in Eigenregie umzusetzen versuchen”, weiß Eckert. Zwangsläufig gehen Konsistenz und Kohärenz dann häufig verloren und das führt letzten Endes zu einer “Verwässerung der Marke”, was die Effektivität des Marketings stark mindert. Ausbleibende Erfolge trotz aufgebrauchten Budgets führen dann schnell zu Enttäuschungen”, ist sich Eckert sicher.
Auch das Eingreifen in die bestehenden Strategien oder das ungeplante Abweichen davon führt zu geringeren Erfolgen und zu erhöhten Kosten. “Einen Plan zu haben ist wichtig, diesen kontinuierlich zu verfolgen jedoch genauso”, berichtet Eckert aus eigenen Erfahrungen.
Nicht zu vergessen: die rechtlichen Rahmenbedingungen. Diese gibt es in allen Branchen, wobei sie im Gesundheitswesen nochmals strenger im Fokus liegen und zusätzliche Herausforderungen mit sich bringen. “Unsere Kunden müssen wir daher gesondert dafür sensibilisieren, dass es Richtlinien für Kommunikation und Werbung sowie Standesordnungen der kantonalen Ärztegesellschaft gibt”, sagt Eckert und warnt vor falschen Interpretationen der rechtlichen Vorgaben, die auch kantonal leicht voneinander abweichen können.
“Zusammenfassend steht in diesen Vorgaben, dass Marketing sehr sachlich und informativ gestaltet werden soll und nicht aktiv zu einer Unter- oder Überversorgung beitragen darf”, berichtet Eckert und führt fort:
“Die Kommunikation darf nicht irreführend, täuschend und aufdringlich sein, man darf die eigene Person nicht anpreisen – all das sind Vorgaben, an die man sich nun mal strikt halten muss, die aber das tägliche Arbeiten im Marketing für medizinische Dienstleister zusätzlich einschränken können. Das alles können zusätzliche Fallstricke sein, die man durch geplantes Vorgehen bereits im Vorfeld vermeiden kann.”
Gesundheitsmarketing: Win-Win für Ärzt:innen und Patient:innen
“Ich bin fest davon überzeugt, dass wenn sich Praxisbetreiber ernsthaft und tiefgehend mit den Bedürfnissen und Erwartungen Ihrer Zielgruppe auseinandersetzen, es nicht nur den ökonomischen Zielen des Unternehmens dient”, ist sich Eckert sicher und weiß dabei um die immer wichtiger werdenden Faktoren, die in Zukunft eine noch größere Rolle einnehmen werden.
Gerade beim Blick in die Zukunft wird der Gedanke immer klarer, dass die Entwicklungen der von Sarafina Eckert erwähnten Aspekte noch rasanter, gar viel weitgreifender sein wird, als man es aktuell absehen kann. Insgesamt ist sie davon überzeugt, dass diese Entwicklungen am Ende des Tages jedoch allen Seiten zu mehr Zufriedenheit und Wohlbefinden verhelfen kann:
“Vor allem macht es den Gang in die Klinik, zum Arzt etc. einfacher und beseitigt Hürden. Das Angebot wird klarer und entspricht den Bedürfnissen der Patienten viel mehr. „Personalized Medicin“ spielt hier eine große Rolle und sorgt dafür, dass der Mensch ins Zentrum rückt und sich auch persönlich vollumfänglich verstanden und gut aufgehoben fühlt. Das ist das Ziel, das wir mit Gesundheitsmarketing verfolgen.”
Wir bedanken uns nochmals bei Sarafina Eckert, Expertin für Praxismarketing bei Lumina Health, die in Kooperation mit Medicosearch digitale Lösungen im Gesundheitswesen erarbeiten und diese gezielt kommunizieren.